Neue molekulare Erkenntnisse bei Gliomen vorgestellt
Anfang Dezember 2019 fand in Dresden zum nunmehr 10. Mal das Symposium What’s up in Neurooncology statt. An zwei Tagen stellten Experten aus unterschiedlichen Kliniken Deutschlands die Erkenntnisse der zurückliegenden zwei Jahre zu verschiedenen neuroonkologischen Themenkomplexen vor. Hierzu zählten neben fachspezifischen Aspekten wie Radiologie und Strahlentherapie auch diagnosespezifische Themen wie Hirnmetastasen, Gliome, Meningeome und Akustikusneurinome. Auch ein Beitrag über neue molekulare Erkenntnisse bei den Gliomen gehörte zum Vortagsprogramm der Fachveranstaltung.
Aktualisierung der WHO-Klassifikation der Hirntumoren
Bereits im kommenden Jahr soll es eine aktualisierte Version der WHO-Klassifikation der Tumoren des zentralen Nervensystems geben. Die derzeitige Auflage stammt vom Mai 2016, welche im Vergleich zu vorhergehenden Versionen neben klassischen histopathologischen Kriterien (Zelldichte, Zell- und Kernpleomorphie, Mitoserate, Neovaskularisation, Nekrosen und andere) auch molekulare Eigenschaften zur Differenzierung der unterschiedlichen Tumoren aufgreift. Dies umfasst alle Entitäten, auch und vor allem die Gliome, für die es in den vergangenen Jahren weitere wegweisende Erkenntnisse gegeben hat.
cIMPACT-NOW als Ergänzung zur WHO-Klassifikation
Als Forum zur Bewertung und Empfehlung von Änderungsvorschlägen für zukünftige Hirntumorklassifikationen wurde nach der Veröffentlichung der 2016er-Klassifikation cIMPACT-NOW gegründet. Das Konsortium zur Information molekularer und praktischer Ansätze zur ZNS-Tumortaxonomie soll bei ausgewählten Tumorarten und in Zeiten zwischen den Aktualisierungen der WHO-Klassifikation die offizielle Klassifikation ergänzen. Die im Rahmen von cIMPACT veröffentlichten Updates ersetzen nicht die bestehende WHO-Klassifikation, sondern sie liefern mögliche Richtlinien für praktizierende Diagnostiker und zukünftige WHO-Klassifikationsaktualisierungen.
Seit seiner Gründung hat cIMPACT-NOW in regelmäßigen Abständen bis heute vier Updates veröffentlicht, welche zu einer Reihe ganz unterschiedlicher Aktualisierungen geführt haben bzw. mit der nächsten Version der WHO-Klassifikation führen werden. Jedes Update ist das Ergebnis eines der drei cIMPACT-NOW-Arbeitsausschüsse, wobei die Richtlinien von allen Mitgliedern des Lenkungsausschusses und des klinischen Beirats überprüft werden.
Diffuse und anaplastische Gliome mit IDH-Mutation
Update 2 lieferte im Jahr 2018 Klarstellungen zu den beiden Diagnosen diffuses Mittellinien-Gliom, H3 K27M-mutiert und diffuses Astrozytom/anaplastisches Astrozytom, IDH-mutiert. So kann zukünftig bei diffus auftretenden Gliomen der WHO-Grade II oder III, die eine IDH-Mutation sowie den Verlust der nuklearen Expression von ATRX und/oder eine starke, diffuse p53-Immunpositivität aufweisen, die Diagnose diffuses Astrozytom, IDH-mutiert oder anaplastisches Astrozytom, IDH-mutiert gestellt werden, ohne zusätzlich einen 1p/19q-Test durchführen zu müssen.
Diffuse und anaplastische Gliome ohne IDH-Mutation
Ebenfalls noch im Jahr 2018 veröffentlicht wurde das Update 3, welches bestimmte molekulare Kriterien definiert hat, die bei der genaueren Einordnung eines diffusen oder anaplastischen Astrozytoms, IDH-Wildtyp verwendet werden können. Diesem Update zu Folge sollten diffuse astrozytäre Gliome der histologischen WHO-Grade II und III als Gliome mit dem Verhalten eines Glioblastoms WHO-Grad IV bezeichnet werden, wenn eines oder alle der folgenden molekularen Kriterien vorliegen:
EGFR-Amplifikation
TERT-Promotor-Mutation
Gewinn des Chromosoms 7 und Verlust des Chromosoms 10 (+7/-10)
Die Experten des Konsortiums kamen zu dem Schluss, dass besagte molekulare Kriterien zur Diagnose eines diffusen astrozytären IDH-Wildtyp-Glioms führen, das, obwohl es histologisch als WHO-Grad II oder III erscheint, einem aggressiven klinischen Verlauf ähnlich eines IDH-Wildtyp-Glioblastoms folgen würde.
Diffuse Gliome bei Kindern und Jugendlichen
Das Update 4 wurde 2019 veröffentlicht und überprüfte den Status der vor allem bei Kindern und Jugendlichen vorkommenden Subtypen von IDH-Wildtyp/H3-Wildtyp diffusen Gliomen des WHO-Grades II. Das Update konzentriert sich insbesondere auf Gliome mit einer BRAFV600E-Mutation, einer FGFR1-Veränderung oder einer MYB- oder MYBL1-Umordnung und empfahl die integrierte Diagnose mit einer Kombination aus histologischen und genetischen Merkmalen. Folgende Subtypen wurden dabei vorgeschlagen:
Diffuses Gliom, MYB-verändert
Diffuses Gliom, MYBL1-verändert
Diffuses Gliom, FGFR1 TKD-dupliziert
Diffuses Gliom, FGFR1-mutiert
Diffuses Gliom, BRAFV600E-mutiert (aber ohne CDKN2A/B-Deletion)
Diffuses Gliom, andere MAPK-Signalwegveränderungen
Insbesondere die praktische diagnostische Relevanz dieser Vorschläge wird in dem Update hervorgehoben.
© 12.12.2019 mst, Deutsche Hirntumorhilfe e.V. | www.hirntumorhilfe.de