Derzeit findet die 19. Jahrestagung der Neuroonkologischen Arbeitsgemeinschaft der Krebsgesellschaft (NOA) statt, zu der sich führende Experten der Hirntumortherapie und -forschung diesmal in München eingefunden haben. Am Klinikum Rechts der Isar werden an zwei Tagen die Hot Topics der Neuroonkologie ausgetauscht. Bei dem jährlich stattfindenden Kongress werden zum einen die abgeschlossenen, laufenden und geplanten NOA-Studien vorgestellt, zum anderen weitere Forschungsvorhaben diskutiert.
Erster Themenschwerpunkt am 14. September 2017 waren die Wirbelsäulentumoren, die unter allen ZNS-Tumoren einen unterdurchschnittlich kleinen Anteil ausmachen. Gerade diese Seltenheit sowie die große Vielfalt an unterschiedlichen im Bereich der Wirbelsäule lokalisierten Tumorentitäten stellen oftmals eine therapeutische Schwierigkeit dar, da etablierte Standards nicht immer gegeben sind. Zusammen nur 2-4 % aller ZNS-Tumoren liegen im Spinalkanal, einige davon intramedullär, der größere Anteil extramedullär. Zu ihnen zählen Astrozytome, Ependymome oder Meningeome, aber auch in der Neuroonkologie ansonsten eher seltene Tumoren wie Ewing-Sarkome, Chordome oder Osteoblastome. Neben neurochirurgischen Interventionen spielt vor allem auch die Radiochirurgie eine Rolle in der Behandlung dieser Erkrankungen – immer vor dem Hintergrund des begrenzten Aktionsradius bei Eingriffen an der Wirbelsäule.
Der zweite große Themenkomplex am ersten Kongresstag galt der Neuropathologie, die mit der Revision der WHO-Klassifizierung der Hirntumoren im vergangenen Jahr einen zukunftsweisenden Umbruch erlebt hat. Seither orientiert man sich nicht mehr nur an der histologischen Einordnung der Tumoren, sondern ebenso an deren molekularer Charakterisierung, allen voran der Mutation von IDH und dem Allelverlust der Chromosomen 1p und 19 q.
Unterscheidet man bereits jetzt beispielsweise bei den Gliomen zwischen mehreren Subgruppen, wie diffuses Astrozytom IDH-Wildtyp, Oligodendrogliom IDH-mutiert und 1p/19q-codeletiert und Glioblastom IDH-mutiert, so werden perspektivisch durch Etablierung weiterer molekularer Marker andere Subgruppen hinzukommen, so bei den Ependymomen und den AT/RTs. Beispielhaft wäre die neu vorgestellte Entität des Posterior-Fossa-Ependymoms Typ A mit Methylierung von H3-K27 zu nennen, welches dem bereits jetzt in der WHO-Klassifikation aufgenommenen Ependymom mit RELA-Fusion folgen wird. Auch weitere Subtypen des Glioblastoms IDH-Wildtyp mit verschiedenen molekularen Profilen wird man nach Ansicht der Experten bald unterscheiden können. Inwieweit diese differenzierten molekularen Abgrenzungen aktuell und zukünftig Einfluss auf die Therapiewahl haben (werden), war zentrale Frage der entbrannten Diskussion.
Unter großer Beteiligung der debattierfreudigen Anwesenden schloss der erste Tag des Kongresses mit drei Falldiskussionen ab und verabschiedete die rund 80 Teilnehmer zur Weiterführung ihrer Diskurse in den Gesellschaftsabend.
Die komplette WHO-Klassifikation in ihrer aktuellen Version findet sich auch unter WHO-Klassifikation 2016.
© 14.09.2017 mth, Deutsche Hirntumorhilfe e.V. | www.hirntumorhilfe.de